Am 14. November fand in Brüssel das Europäische Parlament der Unternehmen statt. Mehr als 700 Unternehmer/innen sowie Vertreter/innen aus der Wirtschaft aus den EU Ländern sind hier zusammen gekommen, um über Themen von Binnenmarkt, Finanzen, Energie und internationalem Handel zu sprechen. Es war eine Ehre für mich, dabei sein zu dürfen. Auf Platz 342 durfte ich einen Tag im EU Parlament sitzen. Das war sehr aufregend und ein super spannender Tag! Außerdem gab es noch ein sehr tolles Rahmenprogramm. Hier meine Erlebnisse in Brüssel:

Sonntag, 12. November 2023:

Ankunft in Brüssel

Samstag fand eine tolle Überraschungsparty für eine Freundin in Luxemburg stand. Nach einer mega-schönen Feier am nächsten Morgen gemütlich gefrühstückt und dann von Arlon in Belgien den Zug nach Brüssel genommen. Das war vom Timing am einfachsten. Sehr hübscher Bahnhof. Nach einer entspannten Zugfahrt mit etwas mehr als drei Stunden Ankunft am Bahnhof Bruxelles-Central – übrigens besonders die Bahnhofshalle ist ein Jugendstil-Juwel!

Zum Hotel gelaufen, eingecheckt und später noch ein netter kleiner Spaziergang.

Montag, 13. November 2023

Eurochambres Women Network

Erster offizieller Programmpunkt war die Einladung des Eurochambres Women Network zur Diskussionsrunde „A path towards a more female-friendly business environment”. Das Treffen fand im Haus der türkischen Kammer – TOBB Brussels office, Avenue de l’Yser 5, 1040 Brüssel – statt. Von Anfang an eine sehr herzliche und lockere Atmosphäre. Neben einigen kurzweiligen Vorträgen und Best practices Beispielen stand der Austausch an den Tischen im Vordergrund. Ich saß zwischen einer Vertreterin aus Irland und der Präsidentin der Handelskammer aus Athen. Am Tisch noch viele andere Nationalitäten. Intensiv wurde diskutiert, welche Skills Frauen brauchen, um in Zukunft Erfolg zu haben. Unser Resümee: Technik, IT, KI, aber auch Verständnis für komplexe Umgebungen und die Fähigkeit mit Krisen umzugehen. Gilt übrigens eigentlich auch genauso für die Männerwelt 😉. An den anderen Tischen wurde über Themen wie Finance und Gender Equality diskutiert.

Parlamentarischer Abend von DIHK und ZDH

Am Abend ging es ins BELvue Museum, Place des Palais 7, 1000 Brüssel. Dort fand im Atrium der Empfang für die deutsche Unternehmerdelegation und die deutschen Europaabgeordnete statt. Begrüßung durch die deutsche Vizepräsidentin von Eurochambres: Sibylle Thierer. Anschließend eine Keynote von Botschafterin Dr. Helen Winter, Stellvertretende Ständige Vertreterin der Bundesre-publik Deutschland bei der EU. Auch hier stand das Thema Bürokratieabbau im Vordergrund. Beim leckeren Büffet gab es dann jede Menge Zeit für Gespräche und Netzwerken. Einige bekannte Gesichter aus der Nachmittagsveranstaltung wieder getroffen und mit vielen neuen Leuten gesprochen. Eine gute Gelegenheit sich mit spannenden Leuten auszutauschen.

Dienstag, 14. November 2023

Empfang der deutschen Delegation

Am Dienstag ging es schon früh los. Wir wurden um 7:30 im Hotel abgeholt und sind von dort zu Fuß zur Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der EU, Rue Montoyer 47, 1000 Brüssel. Dort gab es zunächst mal Kaffee, Tee und Frühstückshäppchen. Als Einführung für die deutschen Teilnehmer/innen des EPdU (Europäischen Parlament der Unternehmen) fand eine Podiumsdiskussion mit deutschen Europaabgeordneten unter dem Motto „Europas Wirtschaft zukunftsfähig machen – aber wie?“ statt. Auf dem Podium:

  • Nicola Beer MdEP (FDP), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments
  • Markus Ferber MdEP (CSU), Koordinator im Wirtschafts- und Währungsausschuss, Stellvertretender Vorsitzender im Unterausschusses für Steuerfragen
  • Bernd Lange MdEP (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel
  • Anna Cavazzini MdEP (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz

Moderiert wurde die Diskussion von Moritz Koch, Büroleiter vom Handelsblatt in Brüssel.

Spannend, teilweise kontrovers, aber insgesamt hatte ich das Gefühl, die wissen, wo uns Unternehmern/innen der Schuh drück. Gleichzeitig fragt man sich, wenn die das verstehen, warum werden dann so viele unsinnige Regeln gemacht? Das kam auch in der anschließenden Fragerunde raus. Viele der Unternehmer/innen, die ihre Fragen stellten, gingen in die Richtung: Wir brauchen weniger Bürokratie und mehr pragmatische Lösungen für Europa. Vor allem das Lieferkettengesetzt war ein heftig diskutiertes Thema. Ich durfte auch eine Frage stellen und habe eins meiner Probleme geschildert: Warum gibt es zwar eine Geoblocking-Verordnung, die uns vorschreibt, dass alle aus EU-Ländern im Online-Shop bestellen können müssen. Gleichzeitig erschweren die nicht-einheitliche Verpackungsordnung in der EU den europaweiten Versand. Vor allem kleine Händler/innen wie mich trifft das. Ein kleines Unternehmen kann nicht so viel bürokratischen Aufwand betreiben. Die Regeln sollen die Verbraucher/innen schützen, doch macht es in der Realität das Leben für viele schwieriger. Wie soll ich denn Kunden/innen in Österreich erklären, dass ich ihnen leider nichts schicken kann, weil die Verpackungsordnung zu aufwendig ist?

European Parliament of Enterprises 2023

Weiter ging es von dort zu Fuß zum Europäischen Parlament. Vor dem EU Parlament noch ein Gruppenfoto der deutschen Delegation. Dann ging es erstmal durch die Registrierung und Security. Wichtig: Ich habe meinen Badge zum Einlass und aber auch meine persönliche Stimmkarte erhalten. Läuft ähnlich ab wie beim Flughafen. Ausweiskontrolle, dann werden Taschen und Jacken durchleuchtet etc. Und dann ist man drin in den „heiligen“ Hallen der EU.

Besonders spannend dann der Saal (Hemicycle of the European Parliament), in dem normalerweise die Abgeordneten tagen. Für den 14. November war Platz Nr. 342 mein Arbeitsplatz. Jeder Sitzplatz hat ein Mikrofon, einen Kopfhörer für die Übersetzungen und ganz wichtig, ein Gerät zum Abstimmen (dazu später mehr).

Und dann ging es los mit dem European Parliament of Enterprise (kurz EPE) oder auf Deutsch: Europäisches Parlament der Unternehmen (kurz EPdU).

Start mit der Hymne der EU: „Ode an die Freude“ von Beethoven. Die Melodie aus der Neunten Symphonie wurde von Beethoven 1823 als Vertonung der Verse von Friedrich Schiller komponiert. Bereits 1972 hat der Euroapart diese zu seiner Hymne gemacht, 1985 wurde sie dann auch die offizielle Hymne der Europäischen Union.

Ben Butters, CEO of Eurochambres, moderierte den Tag im Parlament.

Begrüßungen durch:

  • Dita Charanzová, Vice-President of the European Parliament
  • Valdis Dombrovskis, Executive Vice-President of the European Commission and European Commissioner for Trade
  • Vladimír Dlouhý, President of Eurochambres

In drei Sitzungen folgten eine Reihe von Vorträgen mit einer ganzen Bandbreite an Themen: Potenzial des Binnenmarktes, Energiekrise, Stärkung der Europäischen Wettbewerbsfähigkeit in unsicheren Zeiten.

Es gibt eine Aufzeichnung des EPE 2023, die man sich ansehen kann. Auf der Seite findet man auch die Übersicht des Programms und alle Redner/innen. Alle Reden fanden auf Englisch statt und wer mochte, konnte die Kopfhörer für eine Simultanübersetzung nutzen.

Zwischen der ersten und zweiten Sitzung war Zeit für eine Mittagspause. Im Erdgeschoss im Yehudi-Menuhin-Bereich war ein Büffet für uns angerichtet und es gab viel Zeit, um sich nochmal untereinander auszutauschen.

Ein kleines Highlight für mich war die Twitter-Wall vorne am Podium. Und da wurden dann u.a. auch meine Tweets angezeigt. Wie cool ist das denn! Im EU Parlament mein Logo vorne sichtbar für alle!!!

Abstimmung

In den verschiedenen Sitzungen wurde auch immer wieder abgestimmt. Nein, wir haben natürlich keine neuen Gesetzte abstimmen dürfen, aber für alle Bereiche wurden Fragen gestellt, so dass man ein Bild hatte, wie die Stimmung unter den Unternehmern/innen und den Vertreter/innen der Wirtschaft so ist. Sehr faszinierend zu sehen, dass die Fragen in allen Bereichen von uns aus der Wirtschaft sehr ähnlich beantwortet wurden. In allen Fragen gab es ein sehr klares Stimmungsbild.

Für die Abstimmung braucht man seine persönliche Stimmkarte, die man bei der Registrierung erhalten hat. Diese wird in das Gerät am Platz eingesteckt. Der kleine Monitor zeigt an, welche Antwort-Optionen es gibt (bei uns waren das ja, Enthaltung, nein). Verdeckt gibt es die Tasten zum Ankreuzen. Die Antwort wird mit dem kleinen Lämpchen am Monitor angezeigt, also grün für ja, rot für nein und weiß für eine Enthaltung. Das Ergebnis wird anschließend auch auf dem kleinen Display angezeigt, aber auch auf dem großen Monitor im Saal. Auf dem großen Monitor sieht man auch die Stimmverteilung nach den Sitzen.

Hier mal die Fragen und Ergebnisse zum Thema Handel:

  1. Do businesses require more targeted support through trade implementation action planst o fully benefit from EU trage agreements?
    Ergebnis: ja: 443 / nein: 14 / Enthaltungen: 20
  2. Do the EU‘s trade agreements create new business opportunities?
    Ergebnis: ja: 427 / nein: 27 / Enthaltungen: 30
  3. Do you feel that geopolitical tensions are negatively impacting the functioning of your supply chains?
    Ergebnis: ja: 468 / nein: 13 / Enthaltungen: 8
  4. Should SME’s have a stronger voice in the design and implementation of EU trade policy?
    Ergebnis: ja: 482 / nein: 2 / Enthaltungen: 10
  5. Should the EU engage more with candidate/potential candidate countries to bring these countries closer to the single market?
    Ergebnis: ja: 413 / nein: 41 / Enthaltungen: 32

Ein langer Tag endete mit einigen Schlussworten. Anschließend durfte ich noch für die IHK Böblingen ein kurzes Video-Statement abgeben. Dann ging es nach draußen in den Regen.

Fazit

Ja, gerne wieder! Natürlich ist es auch stressig, kostet Zeit, Energie und Reisekosten. Aber einmal im Europäischen Parlament sitzen, ist schon etwas ganz Besonderes. Was ich aus den zwei Tagen vor allem mitgenommen habe, sind die vielen tollen Begegnungen. Ich habe dort in Brüssel sehr spannende Menschen kennengelernt und mich mit vielen von ihnen auch vernetzt. Zwei Tage gefüllt mit guten Gesprächen, intensivem Austausch und vielen Eindrücken. Fasziniert hat mich auch, wie einig sich die Europäer/innen aus der Wirtschaft waren. Alle forderten weniger Bürokratie und mehr einheitliche Regeln innerhalb der EU. Und dafür auch ein klares YES von allen, auf die Frage, ob wir uns als Europäer/innen fühlen. Und genau dieses Gefühl von Europa hat man dort in Brüssel gespürt! Am Abend nach meiner Ankunft habe ich noch einen kurzen Spaziergang gemacht und an einer Hauswand den Slogan „The Future is Europe“ gelesen. Yeah! Genau dieser Spruch passt zu der Stimmung beim Europäischen Parlament der Unternehmen.

Kann man politisch etwas bewegen? Ja. Sicherlich nicht sofort und so schnell wie wir Unternehmer/innen das gerne hätten. Da mahlen die Mühlen der Politik auch sicherlich etwas zu langsam … Ist vermutlich auch nicht so einfach, alle Belange und Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen. Aber ja, ich denke, auch wenn es nur die Stimme einer kleinen Online-Händlerin ist, wurde hier zugehört. Und ich bin optimistisch, dass die Stimmen von uns dort im Europäischen Parlament gehört wurden und auch die entsprechende Beachtung finden. Ob das dann so umgesetzt wird, wie wir uns das wünschen, bleibt fraglich, aber getreu dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ sollten wir genau das immer wieder versuchten. Und irgendwann haben wir damit auch Erfolg!

Vielen herzlichen Dank an die IHK-Bezirkskammer Böblingen für die unglaublich inspirierende Möglichkeit, dass ich dort in Brüssel dabei sein durfte!!!